Heimatverein "Alter Krug" Zossen e.V.

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Etwa 40 frühe Vögel hatten sich zur Frühwanderung mit Heimatkundler Klaus Voeckler eingefunden. Den Wurm, den sie fangen wollten, war Wissen über die Ortsgeschichte von Nächst Neuendorf. Der Heimatverein wählte für die Frühwanderung Nächst Neuendorf, weil der Ort in diesem Jahr 475 Jahre alt wird.

Beim ersten Stopp auf dem Gelände der ehemaligen Baumschule Grunwald erzählte Klaus Voeckler die Geschichte der Baumschule und was sich hier zugetragen hatte. Der Gründer der Baumschule war gerade einmal 26 Jahre alt, als er um 1890 sich hier niederließ. Als geschäftstüchtiger Gärtner stellte er seinen Betrieb auf mehrere Standbeine. So züchtete er die verschiedensten Fliedersorten, baute aber um 1900 auch Keller für eine Champignonzucht. Dabei halfen ihm seine Erfahrungen aus den Wanderjahren und ein Spezialist aus Frankreich. Auf dem Mist, welchen die Berliner Stadtpferde hinterließen, wuchsen die Champignons.

1945 sollte sich in diesen Kellern ein dramatisches Ereignis stattfinden. Dorthin flüchteten mehrere Frauen aus dem Dorf vor der heranrückenden Roten Armee. Aus Angst vor den fremden Soldaten wollten sich die Frauen das Leben nehmen. Eine Mutter mit ihren drei Kindern hatte eine Pistole dabei. Ihr Mann, Amtsrichter in Zossen, beim Volkssturm eingesetzt, hatte ihr faktisch befohlen, wenn die Russen kommen erschießt euch. Mit dieser Pistole erschossen sich nacheinander mehrere Frauen. Als die Mutter die Waffe wieder in der Hand hielt, erschoss sie zunächst ihre älteste Tochter. Doch dann versagte die Waffe und die Mutter mit den verbleibenden zwei Kindern blieben am Leben.

Klaus Voeckler berichtete auch über den Absturz des britischen Lancaster Bombers am 23. August 1943 in den Feuchtwiesen vor Nächst Neuendorf. Erst 1999
wurden die vier Motoren geborgen. Hierüber informierte Klaus Voeckler auch bereits bei der 1. Frühwanderung.

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Bergung der Motoren des Lancaster Bombers
Am 23. August 1943 über Lichterfelde getroffen,
flog die Maschine noch brennend bis
nahe Horstfelde.

Spritzenhaus, enthielt auch einen Gefängnis-
raum.
Der letzte Insasse, ein gewisser Fritz
Walter war ein solcher Schmalhans, dass er
durch die Gitterstäbe hindurch fliehen konnte.

In Nächst Neuendorf hatten sich bald viele Gärtnereien angesiedelt. Die Berliner hatten Heißhunger auf Blumen, und so machten alle ihr Geschäft. Klaus Voeckler wusste zu jedem Haus in Nächst Neuendorf etwas zu sagen, wusste wer da wohnt und wohnte. Auch anhand der Einzelschicksale der Einwohner von Nächst Neuendorf lässt sich deutsche Geschichte vom Mittelalter über die Gründerzeit, die beiden Weltkriege, die Zeit der deutschen Teilung, bis heute nachvollziehen. So stoppten die Wanderer fast vor jedem Wohnhaus, dem Spritzenhaus und den ehemaligen Gärtnereien, bevor sie wie im vergangenen Jahr den Rastplatz am Ortsausgang zwischen Feld und Wald erreichten.

Wo heute der Gedenkstein für die Gefallenen

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Die ehemalige Schule - bis 1956 wurde hier noch
unterrichtet.
Wo heute der Gedenkstein
steht, befand sich einst ein
Armenhaus

Dort hat dann Klaus Andrae die durstigen und hungrigen Wanderer empfangen und mit Bockwurst Brötchen und Kaffee bewirtet.

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Am Rastplatz

Wer sich für die Heimatgeschichte von Nächst Neuendorf interessiert kann gespannt sein auf das Buch von Klaus Voeckler: „Nicht nur Sumpf und Sand“, welches zur 475 Jahrfeier erscheinen wird.

Text und Fotos: Dr. Rainer Reinecke

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