Adventsfeier ist doch jedes Jahr, also nichts Besonderes? Und doch erlebten die Mitglieder des Heimatvereins und ihre Angehörigen eine Adventsfeier, die sie so schnell nicht vergessen werden. Alle hatten eine schriftliche Einladung erhalten, nach der der Stollen um 15:30 Uhr angeschnitten werden sollte. Doch einige gingen dennoch von 16:00 Uhr wie in den vergangenen Jahren aus. So betrat Dagmar Rösch mit der Feststellung den Raum: „Ihr seid ja alle schon da, wie kommt denn das?“
Was ist denn da drinnen los? |
Allen fiel auf, dass sie Klaus Andrae noch gar nicht gesehen hatten. In ihrer Begrüßungsrede nannte dann Karola Andrae auch den Grund: Der Klaus lässt es sich gerade mit seinem Schwager in einem Fünfsternehotel in Marrakesch gut gehen.
Die Stolle aus Chemnitz wurde dann doch noch fast pünktlich angeschnitten. Fleißige Helfer stellten sehr schnell Kaffeekannen auf die weihnachtlich geschmückten Tische und verteilten an jeden ein Stück Stolle. In einer Ecke des Raumes strahlten die Elektrokerzen an einem Weihnachtsbaum. Ob der denn echt sei wurde gefragt. Tatsächlich war der Baum mit seiner etwa achtzig Zentimeter Höhe so gleichförmig gewachsen, dass die Frage berechtigt war. Er war echt. Auf den Tischen flackerten echte Kerzen, der Duft von Apfelsinen mischte sich bald mit dem von frisch gebrühtem Kaffee, Schierker Feuerstein befeuerte die munteren Gespräche an den Kaffeetischen.
Karola Andrae verkündete jetzt eine eigentlich nicht geplante Überraschung. Zwei Mitglieder aus
der Jagdhornbläsergruppe, die jetzt regelmäßig im „Alten Krug“ probt, hatten sich angekündigt. Da Thomas Oelschläger und Eckhard Ritter jedoch im Freien spiel wollten, wurden kurzerhand die Fenster zur Hofseite geöffnet. Dann legten die beiden los. Alle bekannten Weihnachtslieder erklangen aus Trompete und Horn. Als sie sich von Klaus Voeckler überreden ließen, doch noch mit hinein zu gehen, wurde sie mit großem Applaus begrüßt.
Wie es sich für eine Adventszeit gehört, wurde es dann sehr besinnlich. Karola Andrae hatte einige Vereinsmitglieder gebeten, doch einmal zu erzählen, wie sie Weihnachten in ihrer Kindheit verlebten. Sie ließ es sich nicht nehmen gleich einmal damit zu beginnen. Kassler, Sauerkraut und Kartoffeln, sei das traditionelle Weihnachtsgericht gewesen. Als ihr Mann, der aus Sachsen stammt, Würstchen einführen wollte, sei er damit gescheitert.
In seiner Weihnachtsgeschichte erzählte Herr Muschert, dass seine Eltern wegen des Geschäfts kaum Zeit für ihn gehabt hätten und er von seiner sechzehn Jahre älteren Schwester erzogen worden sei. Zur Weihnachtsmahlzeit wurden Gänse gebraten, die er noch Tage zuvor als Junge gehütet hatte.
Frau Klein erwähnte in ihrer Geschichte, dass sie Weihnachten mit ihrer Mutter allein verbrachte, weil der Vater Soldat war. Sie freute sich über eine neu gestrickte Mütze, einen neugestrickten Schal, auch wenn sie die Wolle wiedererkannte. Das Größte sei für sei gewesen, dass der Vater heil aus dem Krieg wiederkam.
Frau Henke berichtete darüber,
Frau Henke nimmt den 1. Preis entgegen |
wie sie Weihnachten in der Vorkriegszeit erlebt hat. Ein Weihnachtsbaum, eine Edeltanne aus der Baumschule Grunwald in Nächst Neuendorf schmückte das Wohnzimmer vom Boden bis zur Decke. Nach dem Kirchgang fanden sich im Esszimmer der Familie bis zu fünfzehn Personen ein. Die Geschenke seien reichlich ausgefallen.
Ganz anders die Geschichte ihres Mannes, Herrn Henke. Dieser hatte sich zwar nicht an die Vorgabe gehalten eine Kindheitsgeschichte widerzugeben, sondern berichtet über Weihnachten im französischen Kriegsgefangenenlager. Dort haben die Kriegsgefangenen im Steinkohlebergbau gearbeitet. Liegend mussten sie in den nur sechzig Zentimeter hohen Flözen arbeiten. Oft seien sie 13 Stunden ohne Brot und Wasser gewesen. Die Kohlsuppenrationen seien nach Untertagearbeitern, Übertagearbeitern und Kranken portioniert worden. Zwei Tage vor Weihnachten seien bei einem schweren Grubenunglück mehrere seiner Kameraden ums Leben gekommen. Feierlaune kam da nicht auf.
Nach dieser Geschichte hielten alle erst einmal einen Moment inne. Dann schwirrten Geschichten über eigene Weihnachtserlebnisse durch den Raum.
Die Landfrauen Dagmar Rösch und Thea Stuck |
Nun wurde der Nachmittag noch einmal spannend. Die Auslosung der Tombola stand an. Herr Bley als jüngstes Vereinsmitglied spielte die Glücksfee. Großes Glück hatte dann Frau Henke. Sie gewann ein von Dr. Hartmut Klucke gemaltes Bild der Zossener Kirche.
Schon eine ganze Weile waren Thea Stuck und Dagmar Rösch nicht mehr im Raum. Sie hatten in der Küche zu tun. Was zu Hause vorbereitet worden war, musste jetzt auf die Teller. Den Tafelspitz, der dann aufgetafelt wurde, hätten die Landfrauen nicht besser zubereiten können. Doch damit noch nicht genug. Der Nachtisch mit angeschmorten Apfelstücken, Schlagsahne und Rumrosinen stand dem Hauptgericht in nichts nach. Als die beiden Landfrauen dann den Raum betraten, wurden sie mit tosendem Beifall empfangen.
Vielen Dank für diese wieder gelungene Adventsfeier an Frau Andrae, die dieses Mal ohne ihren Klaus agieren musste, an die beiden Landfrauen und die Helfer, die einfach zupackten.
Text und Fotos: Dr. Rainer Reinecke